Es war schön grün... Ein Rückblick auf die dritte Sommerkirche in der Münsterkirche

Tue, 04 Aug 2020 21:06:19 +0000 von Wiebke Köhler

Es regnete die ganze Nacht von Sonnabend auf Sonntag. Denn dieser Sommer ist grüner als in den letzten Jahren. Die Sommerkirche konnte nicht draußen an der Nordseite auf der Wiese abgeschlossen werden, denn alles war noch sehr feucht. Dafür wurden die Besucher des Gottesdienstes mit Grün in Wort, Bild, Postkarte und duftenden Kräutern angereichert. Und auch das Programm des Kammerorchesters war voller Güntöne. Gesegnet von Gottes Grünkraft konnten die Besucher in einen immer sonniger werdenden Sonntag aufbrechen. 


Vor dem Gottesdienst: Pastorin Mingo Albrecht und Pastorin Wiebke Köhler unterhalten sich in grün...

Portal für „Grünkraft – ein Gottesdienst zu Durchgrünen“
 
Mingo steht an der Staffelei und rührt in den Farben Gelb und Blau. Sie hat ihren Talar noch nicht an.
 
W: Mingo, was machst du denn da? Ist bei dir alles im grünen Bereich? Komm doch mal an meine grüne Seite, hier ist dein Talar, der Gottesdienst fängt gleich an...
 
M: Ach, du grüne Neune! Stimmt, aber guck mal, hier: Gelb und Blau! Ich suche noch nach einem schönen Grünton. Bei grün scheiden sich die Geister:  Gleichzeitig eine der beliebtesten und unbeliebtesten Farben. 
W: Vorsicht mit Giftgrün. Guck mal hier, meine schöne Stola, die ist so geschmackvoll, die muss ich echt mal über den grünen Klee loben
 
M: Du willst wohl, dass ich grün vor Neid werde. Schau mal, ich habe auch eine schöne grüne Stola mitgebracht. Ist ja auch die aktuelle Kirchenfarbe für diese Jahreszeit. Bis zum Herbst tragen Altar und Lesepult ein grünes Kleid. Grün für die Hoffnung. Grün für das Leben, das sich durch Gottes Ja erneuert, das wächst und gedeiht - gerade jetzt in der langen sommerlichen Trinitatis-Zeit.
 
W: Im Islam ist grün die wichtigste Farbe. Es die Farbe des Propheten, denn als Lohn für ein Leben nach den Regeln des Islam erwartet die Gläubigen das Paradies mit grünen Wiesen und Wäldern, üppig wachsenden Sträuchern und Bäumen. Für ein Wüstenvolk war das eine wunderbare Vorstellung. Ja, in der Wüste kann man nicht mal eben ins Grüne fahren
 
M: Oder nach Spiekeroog auf die grüne Insel, wie ich vor kurzem – kein Autoverkehr, gelber Strand, blaues Meer, grüne Wattwiesen, ein hübsches Dorf mit hohem Baumbestand, und zwischen den Dünen sogar ein Wäldchen. Wunderbar entspannend.  Das soll die psychologische Wirkung von grün sein: beruhigend und ausgleichend.
 
W: Dann musstest du dich über nichts grün und gelb ärgern? 
 
M: Richtig. Diese Entschleunigung tat wohl allen gut. Coronaschlangen nahmen alle gelassen hin, Mundschutzverweigerer gab‘ s nicht. Viel wert, wenn sich alle grün sind, sich freundlich begegnen…. 
 
W: ….Und neue Umgangsformen eingeübt sind. In Sachen Coronaregeln sind die meisten keine Grünschnäbel oder Greenhorns mehr.
 
M: Manche Maßnahmen sind allerdings erst am grünen Tisch entworfen, mal sehen, ob sie greifen. 
 
W: Ganz schön viele Redewendungen mit Grün. 
(M: Hast du mitgezählt?
W: Ich glaub, wir haben jetzt vierzehn.)
M: Was sagst du zu diesem Grün? Erinnert das an grüne Auen? 
 
W: ( Naja… , Ich finde, wir fangen jetzt mal an, grüner wird’s nicht! Das Orchester möchte bestimmt loslegen, also grünes Licht für sie; denn schon Goethe sagte: 
 
W+M: „Grau, teure Freundin, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum.“
 

Predigtgedanken
 
Mingo: Gelb die Sonne, Blau das Wasser – so malen es die meisten. Und zusammen wird es grün. Ist Leben denkbar ohne grün? Ohne das „grüne Kleid“, das die Erde nicht nur im Sommer trägt? Wohl kaum. Ohne die grüne Lunge wird die Luft zum Atmen knapp. Ein Baum spendet zwei Menschen ein Leben lang Atemluft. Grüne Pflanzen kühlen die Atmosphäre. Je mehr versiegelte Flächen, desto höher die Temperatur.
Grün – die Farbe des Lebens.
Wiebke, woran denkst du zuerst, wenn du an grün denkst?
 
Wiebke: Kommt so ein bisschen auf meine Stimmung und die Situation an, wie immer: Im Frühjahr denke ich an dieses ganz spezielle Grün junger Linden 
und freue mich wirklich jedes Jahr, wenn es wieder so weit ist. Irgendwann Anfang Mai. 
Vor der roten Ampel, Ungeduld – naja, eben: wann wird es grün und dann loslegen! 
In der Kirche denke an die Paramente der Trinitatiszeit. 
Eigentlich ist Grün für mich eine Allerwelts-Farbe. Ich verbinde mehr mit der Farbe Blau und Farbtönen, die zwischen Grün und Blau stehen. Zur Feier des Tages habe ich heute, hier unter meinem Talar, tatsächlich eine Smaragd-Kette angelegt. 
Und auch meine Stola hat dieses Changieren von Blau zu grün. 
Grün hat für mich einen beschützenden, unaufgeregten und beruhigend- berührenden Charakter. Belebend und interessant wird Grün für mich, 
wenn es mit der Tiefe und Ruhe von Blau in Verbindung gerät. 
Das ist in einem geheimnisvollen Gedicht von der Dichterin Hilde Domin der Fall: 
Sie schreibt über Gott und das Ende eines Lebens:
 
Mich ruft der Gärtner
Unter der Erde seine Blumen
sind blau
Tief unter der Erde
seine Blumen
sind blau
 
Und du, Mingo?
 
Mingo: Es gibt ja alles mögliche Grün im Alltag, die Öko-Label oder das Zeichen für Notausgang, aber tatsächlich stellen sich bei mir eher Naturbilder ein. Ich liebe es, zu wandern, vor allem durch lichte Buchenmischwälder im Frühling. Ich mag das Maiengrün und das Spiel von Schatten und Licht, wenn die Sonne durch die Blätter scheint und unzählige Grüntöne entstehen lässt. In diesem Jahr war das für mich besonders wichtig.  Im Wald, mit dem Blick ins Grüne, sortieren sich meine Gedanken, ich sammle Energie und Zuversicht. Ganz so, wie es Erich Kästner treffend beschreibt: „Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. Mit Bäumen aber kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um.“
Von vielen, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, wie sie in Corona-Zeiten zurechtkommen, habe ich ähnliches gehört: Spaziergänge durch Wald und Flur, Verweilen im Garten helfen, sich von den Corona-Gefahren nicht niederdrücken zu lassen.
 Warst du als Kind viel im Grünen?...
 
Wiebke: Ja, ich bin als kleines Kind in einem wahren Paradiesgarten aufgewachsen.
 Im Garten des Klosters in Wunstorf, weil wir im Pfarrhaus dort lebten 
und der riesige Garten uns zur Verfügung stand. Mit einem Buchenwald 
und begrenzt durch ein kleines Flüsschen und mit Wiesen und Obstbäumen 
und einem Nutzgarten, der an einen alten Gärtner verpachtet war, 
der uns immer einiges zeigte in seinen Beeten und uns mit Erdbeeren, Kirschen und jungen Möhren fütterte. Sehr wichtig war auch die uralte Eibe, in der wir rumkletterten und unter deren Zweigen wir Höhlen bauten. Als ich acht Jahre alt war, 
zogen wir auf ein Dorf in der Nähe von Bremen. Dort hatten wir auch einen Pfarrgarten und es gab viel Natur und Landwirtschaft überall. Und dann waren die Eltern 
meiner besten Freundin auch noch Gärtner mit einer großen Gärtnerei... 
Ich habe dadurch aber eben auch immer die unromantischen und arbeitsintensiven Aspekte von Natur und Landwirtschaft kennengelernt. 
Irgendwie kam ich deshalb nie auf die Idee Bäume zu umarmen. 
 
Mingo: Ich auch… Wir waren als Dorf-Kinder ständig draußen. Ich bin mit Grün um mich herum aufgewachsen, mit Unkrautzupfen und Erbsen pulen, mit grünen Flecken an Knien und Hosen und wenn wir nicht aufpassten, traten wir in dunkelgrünen Kuhfladen, die die Kühe hinterließen, wenn sie durchs Dorf getrieben wurden. Natürlich gab es Kletterbäume, wir lagen zum Lesen im Gras, und unsere Schaukel hing in einem Baum. Wir durften noch in der Natur herumstreifen – und ich glaube, es hat uns sehr gutgetan.
Hast du eine Lieblingsspeise, in der Grün vorkommt?
 
Wiebke: Tja, ich mag grünen Wackelpudding, dessen Farbe ja wahrscheinlich 
das Unnatürlichste ist, was man so essen kann. Aber grünen Spargel mag ich auch sehr, den muss man ja nicht schälen... und Porree und grüne Bohnen, alles grün.
 
Mingo: Seit unser Sohn in Frankfurt lebt, habe ich die Grüne Soße wiederentdeckt. Aber eigentlich gibt es viele leckere Gerichte, von Bärlauchpesto im Frühling bis zum Grünkohl im Winter. 
Natürlich haben wir für heute auch in der Bibel nach grünen Spuren gesucht. So häufig wie ich dachte kommt das Wort ‚grün‘ gar nicht vor, aber Bäume und Pflanzen sind oft Sinnbilder, wie beim Gleichnis vom Senfkorn, das wir vorhin als Evangelium gehört haben. Im Psalm 23 steht die grüne Aue für unbeschwertes, behütetes Leben. Gott sorgt für mich. Ich habe, was ich zum Leben brauche, muss nicht sorgenvoll in die Zukunft blicken. Im Hohelied wird Grün zu der Farbe, die den Boden für die aufkeimende Liebe bereitet. Das Lager der Liebenden ist grün.  Der grüne Myrtenkranz ziert bei der Hochzeit die Braut. Zentral ist das Grün in der Schöpfungsgeschichte. Gleich nach Licht und Wasser wird es genannt. Alles wird grün, und das Leben beginnt. Grün erinnert an die Anfänge Gottes mit uns, an seine liebevolle Zuwendung, mit der er alles geschaffen hat und durch Jesus Christus immer wieder erneuert. Die Erde als grünender Lebensraum, in dem wir Menschen gut leben können, wenn wir uns an Gottes Auftrag halten:  die Erde nicht ausbeuten, sondern sie bebauen und bewahren. Nicht alles, was grünt, ist für uns Menschen gedacht. Wir sind Teil, nicht Zentrum. Und so gibt es auch das Grün, das wir möglichst einfach in Ruhe lassen, das warnt. Vorsicht,  für dich ist das Gift: die Nadeln der Eibe, der Grünspan an Kupferrohren, die Beeren der Tollkirsche.
In der Theologie einer der berühmtesten Frauen des Mittelalters, der Äbtissin Hildegard von Bingen, ist der respektvolle Umgang mit Gottes Schöpfung schon früh angelegt, mehr noch : in allem Lebendigen sieht sie Grünkraft im Wirken. Eine Kraft, deren Quelle der Heilige Geist ist. und die zeigt: Gott ist die Liebe. Gott schenkt die Fülle des Lebens. Die Grünkraft belebt und erneuert. Hildegard beschäftigt sich damit, wie sich die positiven Kräfte der Pflanzenwelt, vor allem die Heilkräuter, zur Heilung oder Linderung nutzen lassen. Heute sind ihre Erkenntnisse überraschend aktuell. Immer geht es ihr auch um die Seele. In einem ihrer Visionsbilder trägt die Barmherzigkeit ein grünes Kleid. Sie verbindet es mit Jesus Christus. Die Liebe, mit der Christus uns begegnet, hilft unserer Seele, dass sie nicht vertrocknet. Was in uns abstirbt, kann er zu neuem Leben erwecken. So können wir selbst grünen, Gott zum Lob und den Menschen zu Hilfe.
 
Wiebke: So, wie auch der Prophet Jeremia das Grün mit der Lebens- und Glaubenshaltung einer Person verbindet.
 „Gesegnet ist die Person, die sich auf Gott verlässt und deren Zuversicht Gott ist. 
Sie ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach hinstreckt.
 Denn obgleich die Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, 
sondern seine Blätter bleiben grün; und er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte.“
 
Es ist ein Segen, so zeigt der Prophet in seinem Bild, wenn man wie ein Baum 
am Wasser wachsen und gedeihen kann. Beste Bedingungen zu grünen und zu blühen und Früchte zu tragen, Existenzsorgen sind dann überflüssig. 
Gott als alternativlose Quelle des Guten, nur so ist ein gutes Leben möglich, 
ein tief einleuchtendes Bild. Und doch wird im Zusammenhang dessen, was Jeremia sagt, klar, dass dieses Bild nicht so idyllisch gemeint ist. Denn vorher wird das Gegenteil ausgemalt: Verflucht ist die Person, die sich auf Menschen verlässt ... 
sie wird sein wie ein Dornstrauch in der Wüste... Es gibt eben so oft Gelegenheiten, 
in denen wir uns nicht am Bild des grünenden Baumes orientieren 
und Jeremia weiß auch warum und sagt, es liegt am Herzen den Menschen, 
sein Herz ist trotzig und leicht zu erschrecken und wankelmütig. Und vor allem: 
Der Mensch ist sich selbst ein Rätsel. Nur Gott selbst kann Herzen ganz ergründen. Deshalb beten, sorgen und kümmern wir uns immer von Neuem darum, 
das Richtige zu tun. Immer neu muss man sich Gottes vergewissern. 
Immer wieder muss man Gott suchen und ihm versichern: „Mein Herze soll dir grünen
in stetem Lob und Preis und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.“ 
So sagt es Paul Gerhard in einem seiner Lieder. 
Wir müssen immer wieder zu Gott hin durchgrünen. So gut wir können. 
Und sein Segen wird uns wachsen lassen. Amen
Quelle: pixabay jeplenio
Es grünt so grün...
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