Neuer Blog zum Hören und Lesen

Mon, 09 Nov 2020 10:38:15 +0000 von Wiebke Köhler

Unter dem Titel „Zu unsern Zeiten: EINsichten + Aussichten“ finden sich kurze, ‚andächtige‘ Beiträge zum Anhören oder Lesen von Pastorin Dr. Wiebke Köhler:

https://youtu.be/bhFaQihEYYw
Quelle: pixabay
Zu unsern Zeiten: EINsichten und Aussichten
 
Auftakt
 
„Wie geht es uns denn heute?“ Das sagten früher die Ärzte jovial in der unvergesslichen Fernseh-Serie „Schwarzwald-Klinik“. Es war schon damals, vor 40 Jahren in den 80ern, ein Klischee und in der Realität nicht erwünscht. 

Aber jetzt: „Wie geht es uns eigentlich heute mit den Corona-Einschränkungen?“ Das frage ich mich heute an Tag Vier. „Es geht so“, möchte ich sagen und außerdem, ebenso klischeehaft: „Ich kann nicht klagen...“. Eine seltsame sprachliche Wendung: „Ich kann nicht klagen?“ – „Na, dann ist doch gut!“, heißt die Standart-Retourkutsche. Aber nicht zu klagen ist gar nicht so einfach. Jedenfalls nicht, wenn es genug Anlässe gibt.

Man kann die Lage auch genau umgekehrt bearbeiten: Den Auftakt zur Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach bildet ein Eingangschor, bei dem sich zwei Chöre gegenüberstehen und einen Dialog führen: Chor I lässt die Stimme Jerusalems, der Tochter Zion, hören. Sie ruft: „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen. Sehet!“ Und der Chor II antwortet darauf jeweils mit Fragen: „Wen?“, „Wie?“, „Was?“, „Wohin?“

Die Antworten auf diese Nachfragen werden zusammengefasst von einem dritten Chor, der den Choral „O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet...“ über das polyphone Gewebe der beiden Chöre legt. Bach komponiert Frage, Klage, Situationsbeschreibung und Trost als Auftakt zu seiner Passion. Und in seiner Musik ist alles aufgehoben.

Klage ohne Nachfrage bleibt bitter und sinnlos. Klage ohne Situationsbeschreibung ist unverständlich. Klage ohne Trost ist unbarmherzig.

Als Auftakt zu der neuen schwierigen Aufgabe des Teil-Lockdowns sollten wir uns vornehmen einander zuzuhören und nachzufragen. Es kann schon tröstlich sein überhaupt miteinander zu reden. Per Telefon, per Handy, digital sogar in Bild und Ton. „Wen“ sehen wir dann auf dem Bildschirm; „wie“ geht es uns; „was“ gibt es zu beklagen und „wohin“ sollen wir mit allem, was uns bedrückt, was wir erleben? Vielleicht ist es jetzt gut einander klagen zu helfen. Und Musik zu hören, tut auch immer gut, es muss ja nicht gleich die Matthäus-Passion sein.

Ich höre im Moment auch sehr gerne von Passenger „London in the spring“.
Besonders die letzten Zeilen stimmen mich positiv: 
 
“…Well, some people tell me
The best is far behind us
It's hopeless to be hopeful any more
But I'm not sure I agree
I'm hoping love will find us…”


…Ja, einige Menschen sagen mir
Das Beste liegt weit hinter uns;
Es ist hoffnungslos nicht mehr hoffnungsvoll zu sein.
Aber ich bin nicht sicher, ob ich zustimme,
Ich hoffe, Liebe will uns finden...

 

 
Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen! 
Sehet !Wen? Den Bräutigam. 
Seht ihn! Wie? Als wie ein Lamm! 
Sehet! Was? Seht die Geduld. 
Seht! Wohin? Auf unsre Schuld. 
Sehet ihn aus Lieb und Huld 
Holz zum Kreuze selber tragen
O Lamm Gottes, unschuldig 
Am Stamm des Kreuzes geschlachtet, 
 Allzeit erfunden geduldig, 
Wiewohl du warest verachtet. 
All Sünd hast du getragen, 
Sonst müssten wir verzagen. 
Holz zum Kreuze selber tragen! 
Erbarm dich unser, o Jesu !

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