Zu unsern Zeiten: EINsichten + Aussichten: Lockdown im Vergleich

Tue, 17 Nov 2020 18:56:03 +0000 von Wiebke Köhler

Lockdown im Vergleich
 
Wie unterscheidet sich der erste Lockdown vom jetzigen? Das ist eine Frage, die inzwischen kursiert und die ja auch wirklich interessant ist. Blicken wir mal zurück: damals im März war alles neu. Die Krankheit war unbekannt, man wusste nicht genau, welche Maßnahmen überhaupt sinnvoll sein würden. Die Ansteckungswege waren ungeklärt, den Begriff Aerosole mussten wir erst lernen. Masken galten als lästig und unhygienisch, bzw. wirkungslos. Mühsam mussten wir lernen, dass jetzt ganz falsch ist, was uns soziale Spielregeln bisher für gemeinschaftsstärkend und höflich angeraten haben. Wir lernten, dass Distanz Leben schützt. Wir lernten neue Formen von gottesdienstlicher Gemeinschaft. Wir lernten Ostern neu kennen und das – unvorstellbar – ganz ohne gemeinsamen Gottesdienst! Wir lernten die Schwäche unseres Internetz kennen, weil wir seine Stärken nutzen wollten. 
Ich lernte damals auch viel über die Tages-Losungen. Ich lernte mit einem ständigen Beklommenheitsgefühl zu leben: Mache ich alles richtig, habe ich an alle und alles gedacht? 
Dann kam zum Glück der Sommer, in dem man vieles wieder draußen gemeinsam tun konnte. Das Leben wurde leichter. Licht und Luft hatten die Kraft des Virus geschwächt. Aber nicht dauerhaft. 
 
Jetzt im November finden wir uns in der zweiten Verlaufsphase dieser Pandemie wieder. Wir wissen inzwischen, wie gefährlich diese hinterhältige Krankheit ist, die Menschen auch mit langwierigen Nachwirkungen plagen kann. Ich persönlich fühle mich müde vom Gefangensein in meiner Wohnung, bin voller Sehnsucht nach Gemeinschaft mit anderen, sitze mit Rückenschmerzen vor dem Bildschirm in langen Digitalkonferenzen. Alles scheint graue, belastende Routine zu sein. 
 
Die Losung für den 16. November ist stark und deutlich gewesen und rückte die Herausforderungen unserer unmittelbaren Gegenwart ins Zentrum: 
 
"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR."  Im 3. Buch Mose 19,18
 
Ich bin der Herr, so endet die Losung. Das ist unglaublich wichtig und gleichzeitig entlastend. Gott ist nach wie vor der Herr, auch wenn wir nicht Herr*innen der Lage sind. Gerade die vielzitierten „Herren der Welt“ sind, wie wir immer wieder erfahren, schwach, unsicher und ängstlich gegenüber diesem unseren Feind in Molekulargröße. Es gibt aber Möglichkeiten in den eigenen Bezügen Spielregeln einzuhalten, die unser Glaube an Gott uns nahelegt. Dazu ist das sogenannte „Doppelgebot der Liebe“ grundlegend. Es wird in jeder neuen Situation neu umgesetzt, denn es fordert eine Balance zwischen dem liebevollen Umgang mit sich selbst und dem Menschen, der gerade da ist. 
 
Und dazu der Lehrtext im Brief an die Hebräer 13,1-2: "Bleibt fest in der geschwisterlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt." 
 
Hier wird uns nahegelegt, dass wir neue Formen von Gastfreundschaft entwickeln sollten. Unsere Kirchen sind jetzt tatsächlich zu Orten geworden, in denen wir uns, abgezählt und unter strengen Auflagen, treffen können. Was in der eigenen Wohnung nicht möglich wäre, erlaubt uns jetzt unser Grundrecht auf Religionsausübung. Völlig schweigsam und auf Abstand feiern wir, was das Zeug hält und schwelgen in der guten Kirchenmusik aller Orten. Lasst uns daran festhalten.
Ich bin mir übrigens sicher, dass da immer viele Engel zu finden sind. Verborgen hinter der Maske kann man sie nur an den Lachfältchen um ihre Augen erkennen. 
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