Berührendes Kantoreikonzert - Bericht von A. Steinberg

Tue, 16 Nov 2021 06:48:12 +0000 von Ulrike Hastedt

© Daniel Konnerth
Berührendes Konzert in der Münsterkirche 

„Requiem aeternam dona eis Domine, et lux perpetua luceat eis. -  Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.“ Stille nach den letzten Tönen des „Requiems“ von John Rutter und dem Läuten der Kirchenglocken am vergangenen Samstag – keiner will zuerst den Nachhall der Chor- und Orchesterklänge zerstören. Nach diesem Moment des Innehaltens zeigten die Zuhörer dann ihre Begeisterung für die Leistungen aller Akteure in dem gut einstündigen, sehr kontrastreichen Konzert durch lang anhaltenden Applaus.                                                                                                       

Die Sängerinnen und Sänger der Kantorei ließen zu Beginn des Konzertes unter der Leitung der Dirigentin Ulrike Hastedt kraftvoll die Motette „Verleih uns Frieden“ von Heinrich Schütz erklingen und füllten die Münsterkirche mit strahlender, zuversichtlicher Barockmusik. Die polyphonen Stimmeinsätze wurden dabei transparent herausgearbeitet. Bei dem von Felix Mendelssohn Bartholdy komponierten „Verleih uns Frieden“ entfaltete sich ein ausgewogener, weicher Chorklang. Dr. Friedhelm Flamme, überregional bekannt als Leiter von Meisterkursen und als Künstlerischer Leiter des internationalen Orgelfestivals Vox Organi, begleitete, wie später auch beim „Requiem“, versiert den Chor mit Orgelklängen.                   
In diese eindringlichen Bitten um Frieden wurde eine Vertonung von biblischen Klageliedern eingebettet. Die Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ komponierte Rudolf Mauersberger nach dem unmittelbaren Eindruck der Zerstörung Dresdens.  Die Frage nach dem „Warum?“ des Schrecklichen, die nicht beantwortet werden kann, ist zentrales Thema des Werkes. Kantorin Ulrike Hastedt hatte bereits in ihren einleitenden Worten darauf hingewiesen, dass es neben Trost und Hoffnung auch Klage gebe und man diese nicht nur zulassen, sondern mitunter auch stehenlassen müsse. Mit dieser Hoffnungslosigkeit, dem unüberwindbaren Elend wird der Zuhörer am Ende allein gelassen. Die Kantorei erzeugte eine intensive Klangdichte und gestaltete ausdrucksstark mit textbezogenen Akzentuierungen sowie dynamischen Kontrasten. Die zum Teil dissonanten Klänge waren sicherlich eine große Herausforderung für den Chor, der unter erschwerten Bedingungen die Proben gestalten musste. Zunächst seien nur Videokonferenzen möglich gewesen, erst ab Sommer habe man gemeinsam proben können, erklärte die Dirigentin.                                                                         

Dass er sich „in eine neue Welt des Chorklangs“ begab, „um ganz neue Klangfarben zu entdecken“, wie der norwegische Komponist Knut Nystedt selbst über seine musikalische Neugier und Experimentierfreudigkeit urteilt, zeigt sich auch in seinem Vokalwerk „Peace I leave with you“. Die Sängerinnen und Sänger entfalteten bei diesem A-Cappella-Stück einen sphärischen, fast meditativen Klangteppich.                                                                                                                                         

Im Kernstück des Konzertes, dem „Requiem“ von John Rutter, verschmolzen der Chor, die Sopranistin Martina Nawrath und die Instrumentalgruppe, bestehend aus Musikern des Göttinger Symphonieorchester zu einem musikalischen Ganzen. Die Dirigentin gestaltete mit ihrem stets präsenten Dirigat die charakterlich facettenreichen Sätze sehr differenziert. In 40 Minuten waren verschiedenste instrumentale und vokale Klangfarben und Kontraste zu erleben: So wird beispielsweise dem düsteren „Out of the deep“, das mit Mollklängen des Cellos beginnt, das durch die Oboe eingeleitete, strahlende und hoffnungsversprechende Pendant „The lord is my sheperd“ gegenübergestellt. Beim zentralen „Sanctus“ erinnert das Glockenspiel-Ostinato an Glockenklang.           
Die Solistin gestaltete das persönliche Gebet „Pie Jesu“ sehr innig mit ihrer warmen und flexiblen Sopranstimme. Sie berührte besonders mit ihrem weich verklingenden hohen Schlusston. Ebenso geborgen und getröstet mag man sich beim „Lux aeterna“, dem letzten Teil des Werkes, gefühlt haben. Im weich fließenden Dreiertakt genoss der Chor den harmonischen Zusammenklang mit dem Instrumental-Ensemble.                                                                                                                           

Auf Anregung von Ulrike Hastedt und Daniel Konnerth motivierten vor einem Jahr die Lehrkräfte des Gymnasiums Goetheschule Einbeck, Olga von Petersson und Dr. Kai Wolf, einige Schülerinnen und Schüler des 10. und 11. Jahrgangs, Gedichte zu schreiben. Die Erfahrung, dass Jugendliche ihre Gedanken und Gefühle in komprimierter und anschaulicher Form ausdrücken wollen und können, hatten sie bereits mit dem Projekt „Weltenschreiber“ gemacht. Sophie Böker, Henrike Schütte und Mohammed Beiruti trugen die von ihnen verfassten Gedichte vor und setzten als Ergänzung zu den musikalischen Werken besondere Akzente. Madlen Schwabs Gedicht wurde von Astrid Becker rezitiert. Weitere Gedichte wurden im Eingangsbereich präsentiert. In der Auseinandersetzung mit den Liedern, die für dieses Konzert geplant waren, entstanden eigene lyrische Aussagen zum Thema Gerechtigkeit, Tod, Krieg und Frieden. Beeindruckend war die Tiefe der Gedanken und die Ausdrucksfähigkeit der Jugendlichen. Beispielsweise durch starke sprachliche Bilder und herausgearbeitete Gegensätze entwickeln die Verse die Kraft, Menschen im Inneren zu erreichen.
Annett Steinberg
Quelle: Daniel Konnerth
Sophie Böker, Schülerin der Goetheschule
Quelle: Daniel Konnerth
Henrike Schütte, Schülerin der Goetheschule
Quelle: Daniel Konnerth
Astrid Becker, Schülerin der Goetheschule
Quelle: Daniel Konnerth
Mohamed Beirouti, Schüler der Goetheschule
Quelle: Daniel Konnerth
Martina Nawrath, Sopranistin
Quelle: Daniel Konnerth
Kantorei, Dr. Friedhelm Flamme und Musiker*innen vom GSO
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