
Gedankensplitter zu Losung und Lehrtext am 22. April
Ich schwor dir's und schloss mit dir einen Bund, spricht Gott der HERR, und du wurdest mein.
Hesekiel 16,8
Hesekiel 16,8
Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.
Galater 3,26
Galater 3,26
Es geht auf den Mai zu und das ist daran zu merken, dass sehr viele Hochzeiten abgesagt werden. Es ist müßig sich aufzuzählen, was im Moment nicht geht – Hochzeiten gehören aber auf jeden Fall dazu. „Immerhin kann ich jetzt aufhören Diät zu machen“, sagte eine betroffene Braut zu mir, „dann muss ich mich eben nächstes Jahr wieder in mein Kleid hungern.“ Das ist der jetzt gut geübte Corona-Sarkasmus.
Der Losungsvers von heute bearbeitet auch dieses Thema. Der Prophet hört Gott wie einen verliebten Bräutigam sprechen, der allerdings mit seiner schönen Braut herbe Enttäuschungen erleben muss. Das ganze 16. Kapitel des Hesekiel-Buches spricht davon in ausgesprochen lebhaften und auch drastischen Schilderungen. Man kann sagen, dass die Losungskommission sich zielsicher den einzigen zitierbaren Vers ausgesucht hat. Vor weiterer Lektüre wird ausdrücklich gewarnt!
Aber dieser eine Vers bringt zum Ausdruck, dass Gott sich in diese Frau, um die es geht, verliebt hat. Es ist ein hoch symbolisches Bild, eine Allegorie für Jerusalem und das kritikwürdige Verhalten der herrschenden Oberschicht in den politischen und sozialen Verhältnissen des 6. vorchristlichen Jahrhunderts. Und dennoch ist hier von Gottes Solidarität die Rede. Und dann im Folgenden und überhaupt auch von Gottes Zorn.
Wie ist das eigentlich mit unserem Zorn? Mit unserer Hilflosigkeit gegenüber der Situation? Bei Telefongesprächen oder zufälligen Begegnungen frage ich immer freundlich-pastoral: Wie geht es Ihnen/Dir? Und dann spüren wir gemeinsam im Gespräch, wie stark der Druck unserer sorgfältig moderierten Gefühle sein kann. Natürlich spricht man diese Dinge nicht gleich direkt an. Aber unter der Oberfläche brodelt es doch: „Wie lange soll das jetzt noch gehen? Ich will mein altes Leben zurück, ich will meine Eltern besuchen, ich habe Angst krank zu werden und nicht zu denen zu gehören, die gut durch die Infektion kommen. Ich kann nicht mehr schlafen...“
Freundlich hören wir uns gegenseitig zu bei dem, was wir lieber nicht so deutlich zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig, und darauf spielt der Lehrtext aus dem Galaterbrief an, wissen wir, dass wir, viel stärker als sonst, alle im gleichen Boot sitzen. Vieles muss man eben gar nicht sagen.
Gott kann jedenfalls Zorn verstehen, Jesus hat Zorn erlebt und ihm auch nachgegeben. Wir können uns untereinander bestätigen, dass es Grund gibt zornig zu sein. Und dass wir alle nur gemeinsam wieder aus dieser Zeit des Zorns herausfinden können. Vielleicht ist er auch eine Form der Energie, die uns dazu bringt durchzuhalten.
Ihre Wiebke Köhler
