Andacht am Karfreitag (11.04.2020)

Fri, 10 Apr 2020 06:10:34 +0000 von Daniel Konnerth

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und der Heiligen Geistes. 
Amen.

  

Liebe Gemeinde, 

herzlich willkommen zur Andacht aus der Münsterkirche St. Alexandri in Einbeck. Keine Musik zu Beginn, nur eine Glocke läutete - die Sterbeglocke. Es ist Karfreitag. Wir erinnern heute an das Leiden und Sterben Jesu. An seinen qualvollen Tod am Kreuz. In diesem Jahr -dem Jahr der Corona-Pandemie- geht mir das besonders nah. So wird das Kreuz heute Mittelpunkt der Andacht sein. Das Kreuz Christi und die Kreuze unserer Zeit.

  
Lasst uns beten mit den Worten des Psalms, 

den Jesus am Kreuz gebetet hat:  

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? 

Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, 

und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. 

Du aber bist heilig, 

der du thronst über den Lobgesängen Israels. 

Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; 

denn es ist hier kein Helfer.

Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, 

alle meine Gebeine haben sich zertrennt; 

mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. 

Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, 

und meine Zunge klebt mir am Gaumen, 

und du legst mich in des Todes Staub.

Sie teilen meine Kleider unter sich 

und werfen das Los um mein Gewand. 

Aber du, HERR, sei nicht ferne; 

meine Stärke, eile, mir zu helfen!

(Psalm 22, 2-4.12.15-16.19-20)


 Liedstrophe EG 85,1:  

O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret: gegrüßet seist du mir!

  
Liebe Gemeinde, 

das Kreuz – es ist wohl das zentrale Symbol der Christenheit. Natürlich gibt es noch eine Menge anderer christlicher Symbole wie z.B. den Fisch, den wir als Aufkleber an so manchem Auto erkennen. Schon in der frühen Christenheit wurde der Fisch als Geheimzeichen verwendet. Und doch scheint mir, dass gerade das Kreuz das Zeichen ist, welches selbst Außenstehende mit uns Christen verbinden. 

In vielen Zusammenhängen treffen wir auf das Kreuz: In Lexika steht es für das Sterbedatum. Es bekrönt Berggipfel. Auf Friedhöfen und auf Trauerkarten ist es allgegenwärtig. Ebenso am Rand von Landstraßen, wo Menschen ihr Leben verloren haben. Und vor Bahnübergängen zeigen Andreaskreuze an: „Achtung! Hier kann es gefährlich werden, weil Schienenfahrzeuge kreuzen“. Ja, auch sprichwörtlich begegnen wir dem Kreuz, wenn sich Wege kreuzen, jemand den Plan durchkreuzt, es ein Kreuz ist oder man lieber drei Kreuze macht. Oder jemand das Kreuz auf sich nimmt.  

So wie Jesus das Kreuz auf sich nimmt.  

In der Passionsgeschichte ist das Kreuz nicht nur Kulisse, sondern zentraler Handlungsort. Es ist Höhe- und zugleich erst einmal Endpunkt der Geschichte von Jesus. Das Kreuz: es steht für Jesu qualvollen Tod. Es steht dafür, dass die Hoffnungen der Jünger und all der Menschen, die Jesus nachgefolgt sind, die an Jesus glaubten, gestorben sind.  

Aber was bedeutet das Kreuz für uns heute? Wo wir dem Symbol des Kreuzes doch an so vielen Orten immer wieder begegnen? Ist es ein Geheimzeichen? Und überhaupt: Es ist so sehr mit Tod und Trauer behaftet, bräuchte die Kirche nicht ein anderes, ein etwas freundlicheres Zeichen?  

Ja, das Kreuz erinnert uns an Karfreitag, an Jesu Leiden und an seinen Tod. Es blendet das Dunkle nicht aus. Es stört die allzu heile Welt, wie sie manche gerne sehen würden. Und ich mag das Zeichen des Kreuzes vielleicht gerade deswegen: Weil das Dunkle, Lebensfeindliche, der Tod nicht einfach ausgeschwiegen, unter den Tisch gekehrt, tabuisiert, sondern sichtbar gemacht werden. Auch die Erfahrung von Schmerz, Leid und Tod gehört zu unserem Leben dazu. Mitten in der Corona-Krise wird uns das noch einmal ganz bewusst.  

Es gibt einem Zusammenhang, indem wir das Kreuz immer wieder benutzen, eher zufällig, ohne uns viel Gedanken darüber zu machen. Wenn wir nämlich etwas durchstreichen oder vielmehr auskreuzen um zu zeigen: alles darunter Geschriebene soll „aufgehoben“ sein.  

Mit dem Wort „aufheben“ lässt sich auch das Kreuz Jesu beschreiben: Das Kreuz ist Zeichen dafür, dass Gott all das Leid der Welt genauso wie den qualvollen Tod Jesu nicht unwidersprochen stehen lässt. Gott hebt am Kreuz das Leiden, die Macht des Todes auf. Er entkräftet sie. Er kreuzt den Tod aus und zeichnet darüber in seiner Handschrift der Liebe. Weil er die Welt liebt. Jeden und jede Einzelne von uns.  

Das Wort „aufheben“ kann nicht nur im Sinne von „entkräften“ gebraucht werden. Es kann ebenso bedeuten: „aufbewahren“ und „erheben“. Auch das finde ich im Kreuz Jesu wieder:  

-Jesus erträgt all die Schmerzen und die Leiden. Er geht den Weg ans Kreuz und nimmt die Leiden dorthin mit. Dort am Kreuz, bei Jesus, ist auch mein Leid gut aufgehoben, gut aufbewahrt. Das Kreuz heißt auch: Gott selbst nimmt Leiden auf sich, nimmt Anteil am Schicksal seiner Erde.  

-Wer in Golgatha Jesus ansehen wollte, der musste nach oben ans Kreuz schauen. Und Ostern erfahren wir: Diese Erhöhung, die mit der Dornenkrone rein zum Spott geschah, sie ist eine wirkliche Erhöhung, allem ersten Anschein zum Trotz. Jesus Christus  wird erhöht. 

Darum sind auch die Kranken und Sterbenden, die Leidenden bei Christus aufgehoben, ja erhoben. Gott führt die zum Recht, die zuvor keines bekommen haben. Er solidarisiert sich mit den Armen, Kranken, Schwachen und Sterbenden.  

So schenkt das Kreuz neue Hoffnung. Durch Jesus Christus wird das Kreuz für uns zum Zeichen für Frieden und Erlösung, untereinander und mit Gott.  

Amen 

  
Liedstrophe EG 85,6:  

Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.

  

Meditation am Kreuz:  

Ich blicke auf das Kreuz. 

Aufgerichtet, um Jesus zu töten, 

ihn unter Schmerzen sterben zu lassen 

als öffentliches Zeichen, um sein Scheitern zu demonstrieren und die eigene Macht. 

  

Ich blicke auf das Kreuz Jesu. 

Ahne ich, was es bedeutet zu Unrecht verurteilt zu sein? 

Verraten von einem Gefährten 

Gefangen genommen im Garten 

verspottet, entblößt, gebunden 

ans Kreuz geschlagen. 

  

Wieviel Schmerz? 

Wieviel Einsamkeit? 

Wieviel Schrecken? 

Wieviel Dunkel? 

  

Gottverlassenheit und der verzweifelte Schrei:  

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen 

  

Gottverlassenheit, aus dem Vertrauen wächst:  

In deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist.

  

Vergebung und Liebe: Vater vergib, denn sie wissen nicht was sie tun.  


Ich sehe im Kreuz Jesus, der Leiden kennt, 

der mitgeht ins Dunkel, 

der Halt sucht und findet, 

der nicht aufhört zu lieben und zu vertrauen. 

  

Ich blicke vom Kreuz Christi auf die Kreuze unserer Zeit: 

  

Dieses Kreuz ist mit Maschendraht bespannt. 

  

Der Maschendraht ist ein Symbol für Gefangenschaft, versperrte Wege, durchkreuzte Hoffnungen. 

-Gefangen können wir sein in eigenen Ängsten, in unserer Selbstbezogenheit, durch Gefahren, die von außen auf uns zukommen. 

-Gefangen durch ein Virus, das uns in Angst und Schrecken versetzt, unsere Lebensgewohnheiten durchkreuzt, ja sogar Grundrechte einschränkt. 

-Gefangen können wir sein durch andere, die uns bedrohen. Gefangen in Krieg, in Hunger, in Lagern, durch Zäune, die den Weg verstellen, Auswege verwehren. 

  

Dieses Kreuz zeigt schwarze Splitter

  

Sie stehen für die Gewalt, den Schmerz, die Trauer, die wir erfahren. Sie stehen für das, was das Leben verdunkelt und verletzt.  Sie stehen für das, was uns aktuell das Leben schwer macht. 

-Die Wege, die wir plötzlich nicht mehr gehen können. Die Einsamkeit, weil wir Freunde und Teile unserer Familien nicht mehr treffen dürfen. 

-Die verstörenden Bilder aus den Intensivstationen mit ÄrztInnen und  Pflegekräften, die sich kaum selbst schützen können und doch über die Erschöpfung hinaus um jedes Leben kämpfen. 

-Die Statistiken, die Zehntausende von Toten listen, meist einsam sterbend, italienische Kirchen, in denen sich Särge stapeln.  

-Eine europäische Grenze, in der Menschen an Zäunen stranden, unversorgt, ohne das Nötigste zum Leben. 

-Die eingezäunten Flüchtlingslager, aus denen es kein Entkommen aus dem Elend, kein Schutz vor Viren und Krankheiten zu geben scheint.  

-Die Kriege, die nicht aufhören,  in Syrien und womöglich auch ganz nah, hinter Türen und Fenstern in unserer Nachbarschaft, – so viel Leid. 

  

Mein Gott, du kennst die Verzweiflung. 

Ich schaue auf das Kreuz. 

Mir wird kalt. 

  

Jesus ist tot. 

Er starb. 

Er fühlte sich verlassen. 

  

Meine Augen sehen ins Leere. 

  

Ich bitte dich: 

Bleibe bei uns Menschen. 

Dir hat das Kreuz wehgetan. 

Darum schau nicht weg. 

  

Hilf uns und begrenze Krankheit, Krieg und Gewalt. 

Wir wollen eine Zukunft haben. 

  

Das bitten wir dich durch Jesus Christus. 

Weil er für uns am Kreuz gestorben ist. 

Amen 

  

Liedstrophe EG 85,9: 

  

Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

  

Lasst uns den 22. Psalm weiterbeten. 

  

Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern,

ich will dich in der Gemeinde rühmen: 

Rühmet den HERRN, die ihr ihn fürchtet; 

ehrt ihn, all ihr Nachkommen Jakobs, 

und scheut euch vor ihm, all ihr Nachkommen Israels! 

Denn er hat nicht verachtet noch verschmäht das Elend des Armen 

und sein Antlitz vor ihm nicht verborgen; 

und da er zu ihm schrie, hörte er's. 

Dich will ich preisen in der großen Gemeinde, 

ich will mein Gelübde erfüllen vor denen, die ihn fürchten. 

Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden; 

und die nach dem HERRN fragen, werden ihn preisen; euer Herz soll ewiglich leben. 

Es werden gedenken und sich zum HERRN bekehren aller Welt Enden 

und vor ihm anbeten alle Geschlechter der Völker. 

Denn des HERRN ist das Reich, 

und er herrscht unter den Völkern. 

Ihn allein werden anbeten alle Großen auf Erden; vor ihm werden die Knie beugen alle,

die zum Staube hinabfuhren 

und ihr Leben nicht konnten erhalten. 

Er wird Nachkommen haben, die ihm dienen; 

vom Herrn wird man verkündigen Kind und Kindeskind. 

Sie werden kommen und seine Gerechtigkeit predigen dem Volk, das geboren wird. 

Denn er hat's getan.

(Psalm 22, 23-32)

  

Vater unser im Himmel. 

Geheiligt werde dein Name. 

Dein Reich komme. 

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. 

Unser tägliches Brot gib uns heute. 

Und vergib uns unsere Schuld, 

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. 

Und führe uns nicht in Versuchung, 

sondern erlöse uns von dem Bösen. 

Denn dein ist das Reich und die Kraft 

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. 

Amen. 

  

So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 

(Johannes 3,16)

  

Gehet hin im Frieden des Herrn. 

Amen. 

  

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